Die schönste Seite Europas –

Ich bin wieder zuhause. Nach einer herrlichen Woche voller Singen und Klingen wieder zuhause in meinen eigenen vier Wänden. Die Euphorie der letzten Tage hat sich schon fast gelegt, aber in Gedanken will ich noch gar nicht recht ankommen im Alltag, nach der 9. Jugendkammerchor-Begegnung auf der Insel Usedom. Wenn ich daran zurückdenke, habe ich lauter herrliche Bilder vor Augen. Kerzenbeleuchtete Kirchenräume, bunte Trachten der estnischen und weißrussischen Mädchenchöre, Blumen aus Licht und Farbe eines gigantischen Feuerwerks in tiefschwarzer Nacht, konzertbereite Sänger posieren im Sonnenschein zwischen hohen Kiefern, tanzende Dirigenten, jubelnde Chöre, viele kleine und große wunderbare Momente. Was mich aber mehr als die Bilder der letzten Tage nicht loslassen möchte, sind die Melodien, die mir noch in den Ohren liegen. Mal sind es die polyphonen Gewebe barocker Mehrstimmigkeit, mal der volle Klang neuseeländischer Maori-Gesänge, das sphärische Schweben der Dissonanzen eines „Lux aeterna“. Dann wieder lateinamerikanische Rhythmen, nordische Harmonien, israelische Sprache oder jahrhunderte alten Texte in neuem Klanggewand, gehen mir durch den Sinn, wie mir gerade zumute ist.

Vom 10. bis 19. August trafen sich bereits zum 9. Mal  ausgewählte Chöre aus verschiedenen Ländern Europas auf der Insel Usedom, um unter der inspirierenden Leitung von Spitzendirigenten internationaler Reputation miteinander zu musizieren. Aus unserer Unterkunft, dem „STRAND GUT“ Trassenheide, die keine Wünsche offen ließ, traten Tag für Tag die jungen Sängerinnen und Sänger ihren Weg zu den Kirchen der Insel an, um hier in verschiedenen Zusammensetzungen zu proben und zu konzertieren. In den Begegnungskonzerten, in welchen sich die Chöre einander sowie dem begeisterten Publikum mit Werken ihrer landestypischen Repertoires vorstellten, traf der Gastgeberchor vom Wolgaster Runge-Gymnasium (Leitung Rüdiger Kurzmann) auf drei Mädchenchöre aus der Schweiz, Weißrussland und Estland und auf gemischte Ensembles aus Schweden, Bayern und Hoyerswerda.

Wie gut es doch tut, ab und an den eigenen Proberaum zu verlassen und über den Tellerrand zu schauen, zu lauschen, zu staunen... Denn ebenso mitreißend wie die musikalische Qualität der ausländischen Chöre, ihre Präsenz auf der Bühne oder die Gemeinschaft am Abend nach getaner Arbeit war das Engagement der Dirigenten, welche der AMJ, Arbeitskreis für Musik in der Jugend, in diesem Jahr für uns hat engagieren können. Michael Gohl (Schweiz), Naomi Faran (Israel) und Jan Schumacher (Deutschland) holten in vielen Stunden intensiver Probearbeit aus den Chören heraus, was in ihnen steckte, und zumindest für unsere eigenen Sängerinnen und Sänger vom Runge-Gymnasium Wolgast kann ich versichern, dass nach diesen zehn arbeitsreichen Tagen beim Abschlusskonzert in der ausverkauften Petrikirche Wolgast ein ganz neuer Chor auf der Bühne stand.

Auf dem Heimweg nach Abfahrt aller anderen Chöre merkte ich, dass ich mich gar nicht so sehr darauf freute, endlich wieder zu Hause zu sein, wie auf das nächste Mal: Auf die 10. europäische Jugendkammerchor-Begegnung auf der schönen Insel Usedom im Sommer 2014.

Fred Jürgens, Wolgast